Ein Geistesblitz
Du bist im Urlaub in Verona. An der Theke beim Bäcker versuchst du dich verzweifelt an deine bruchstückhaften Italienischkenntnisse zu erinnern. “Questo” ist alles, was du raus bringst. Zum Glück ist die Bäckereiverkäuferin freundlich und versucht zu verstehen. Was ihr schließlich sogar gelingt, dank eurer Kommunikation mittels Händen und Füßen. Also vor allem mittels der Hände. Plötzlich hast du einen Geistesblitz: Schnell und ein bisschen stolz fügst du noch ein etwas verspätetes, aber ehrliches “per favore” hinzu. Die Verkäuferin freut sich und muss grinsen. Sie war wohl schon einmal in einer ähnlichen Situation. Wie schön es wäre, wenn man alle Sprachen der Welt sprechen könnte…
Sprache ist der Schlüssel zur Welt
Weißt du, wie viele Sprachen es auf der Welt gibt? Über 7.000! Eine schwindelerregende Zahl, nicht wahr? Dieser Vielfalt sind sich die wenigsten bewusst. In der Schule, im Studium, im Beruf und auch im Urlaub kommt man meist mit Englisch wunderbar klar. Oder eben mit Händen und Füßen. Dabei machen Sprachen Spaß. Die Sprachen der Welt sind faszinierend. Höchste Zeit sich mal mit ihnen zu beschäftigen.
Sprachen sind ständig im Wandel
Die linguistische Datenbank Ethnologue zählt 7.139 Sprachen. Mal ganz abgesehen von der Frage, ab wann eine Sprache eine Sprache ist, sollte man wissen: Sprachen ändern sich, Sprachen leben, Sprachen sterben, Sprachen werden (auch heute noch) erst entdeckt. Dementsprechend ändert sich die Anzahl der Sprachen weltweit im Laufe der Zeit. Es gibt Sprachen, die von vielen Menschen gesprochen werden, wie Englisch oder Mandarin-Chinesisch. Auch Hindi, Spanisch und Arabisch gehören dazu. Über 88 Prozent der Weltbevölkerung spricht eine der 200 meistgesprochenen Sprachen.
Viele Sprachen sind bedroht
Doch über 40 Prozent der Sprachen der Welt sind leider vom Aussterben bedroht. Das sind meist ohnehin sehr kleine Sprachen, die nicht mehr an die nächste Generation weitergegeben werden. Die Sprecher geben ihre Sprache zugunsten einer dominierenden Sprache auf. Oft sterben Sprachen mit dem Tod ihres letzten Sprechers. Und mit ihnen stirbt eine Kultur. Auch wenn zwei Drittel der indigenen Sprachen in Asien oder Afrika gesprochen werden und die Sprachenvielfalt in Europa im Vergleich zu anderen Kontinenten nicht ganz so ausgeprägt ist, gibt es auch hier bedrohte Sprachen, wie etwa Plattdeutsch, Walisisch, Jiddisch oder Rätoromanisch. Der interaktive UNESCO Atlas of the World’s Languages in Danger (http://www.unesco.org/languages-atlas/en/atlasmap.html) listet alle bedrohte Sprachen, kategorisiert in fünf verschiedene Stufen der Bedrohung, auf.
Verrückte Sprachphänomene
Sprachen drücken bestimmte Phänomene auf ganz unterschiedliche Art und Weise aus. Beim Lesen der folgenden Beispiele bekommst du allein schon wegen des Unterhaltungsfaktors Lust möglichst viele Sprachen der Welt und damit die verschiedenen Kulturen zu erhalten bzw. zu retten.
Zahlensysteme
Schauen wir uns etwa mal verschiedene Zahlensysteme an. Vielleicht hast du schon einmal gehört, dass die Franzosen teilweise auf einer 20er-Basis zählen: 80 heißt in Frankreich deshalb quatre-vingts (viermal zwanzig). Dieses Vigesimalsystem gibt es auch in vielen anderen Sprachen, wie zum Beispiel teilweise im Dänischen oder Georgischen, im Dzongkha, der Nationalsprache von Bhutan, oder in Maya-Sprachen. Wenn du jetzt denkst, das Vigesimalsystem ist ziemlich cool, dann hast du noch nicht vom sogenannten Body Part Counting System gehört. Das gibt es in Papua-Neuguinea, zum Beispiel im Oksapmin. Begonnen wird beim rechten Daumen (1), über das Handgelenk (6), die Schulter (10) bis zur Nase (14) und der letzten Zahl, dem linken kleinen Finger (27). Man zeigt auf das jeweilige Körperteil und sagt dessen Namen.
Mutter oder Pferd
Dir ist vielleicht bekannt, dass es Tonsprachen gibt. Der Ton kann zum Beispiel im Mandarin-Chinesischen bedeutungsunterscheidend sein, je nach Tonhöhe heißt das Wort ma Mutter, Pferd, Hanf oder schimpfen. Klar, dass man hier schnell für Verwirrung sorgt, wenn man die Töne nicht beherrscht. Aber wusstest du auch, dass es Sprachen gibt, die gepfiffen werden? Zum Beispiel das El Silbo, das auf La Gomera gepfiffen wird und mit dem über mehrere Kilometer kommuniziert werden kann.
Mit eigenen Augen oder vom Hörensagen
Richtig praktisch ist ein Phänomen, das sich Evidentialität nennt. Damit drückt man in vielen, man sagt in ein Viertel der Sprachen der Welt aus, woher man eine Information hat. Im Quechua zum Beispiel wird dies durch verschiedene Endungen verdeutlicht. Dann weiß der Hörer oder Leser, ob die Informationen aus erster Hand sind, der Sprecher es mit eigenen Augen gesehen hat, es vom Hörensagen weiß oder einfach nur spekuliert. Das wäre sicherlich auch hierzulande manchmal nicht schlecht zu wissen – zumindest bei gewissen Gesprächspartnern.
Faszinierende Welt der Sprachen
Wie du siehst, sind Sprachen manchmal ganz schön verrückt und kurios. Sie sind unglaublich vielfältig und verändern sich ständig. Auf diese Weise strahlt jede Sprache ihre ganz eigene Faszination aus.